- WLZ
- Frankenberg
Stand:
Von: Martina Biedenbach
Kommentare
Die Firma Universelle Fertigteil-Fundamente (UFF) aus Hamburg will im Betonwerk in Burgwald-Ernsthausen (Landkreis Waldeck-Frankenberg, Nordhessen) Einzelteile für Fundamente von Windkraftanlagen herstellen und im Windpark Ernsthausen Windräder bauen. Mit im Boot ist auch Tan Siekmann aus Lichtenfels, der ehemalige Biodata-Chef und einstige Jungstar der Börse.
Da staunten die Mitglieder des Ortsbeirats Ernsthausen nicht schlecht, als sich am Montagabend herausstellte, dass auch Tan Siekmann aus Lichtenfels, der ehemalige Biodata-Chef, beim Projekt der Hamburger Firma Universelle Fertigteil-Fundamente (UFF) beteiligt ist. Der einstige Jungstar der Börse, der nun die Firma Burg Lichtenfels Energie GmbH & Co. KG betreibt, stellte zusammen mit dem Geschäftsführenden Gesellschafter der UFF, Gregor Prass, die Pläne für Ernsthausen vor: Sie wollen ein Betonwerk betreiben und Windräder errichten. Die Details:
Was plant die Firma UFF in Ernsthausen?
Das Unternehmen aus Hamburg will zunächst das seit Ende 2019 leerstehende Betonwerk Ernsthausen, in dem derzeit der Zirkus Barelli sein Quartier aufgeschlagen hat, erwerben, es auf Vordermann bringen und dann dort Fundamente für Windkraftanlagen produzieren. Zusammen mit seinem Kollegen Christoph Schriefer hat Ingenieur Gregor Prass ein neues Verfahren entwickelt: Das Fundament wird nicht in einem Stück vor Ort gegossen, sondern entsteht aus tortenstückförmigen Teilen. Prass war zudem 2012 maßgeblich beim Bau des Timber-Towers bei Hannover, einem Holzturm für eine Windkraftanlage, beteiligt.
Welche Vorteile hat das Tortenstück-Verfahren?
Die zirka 25 Tonnen schweren Teile können laut Firmenchef Prass einzeln mit ganz normalen Lkw zum Standort gebracht und dort in nur einem Tag zusammengefügt werden. Bisher werden die 1000 Tonnen schweren Stahlbetonfundamente vor Ort gegossen. Das dauere viel länger und mache viele Fahrten mit Betonmischern erforderlich. Wenn das Windrad später wieder abgebaut wird, muss das herkömmliche Betonfundament gesprengt werden, während sich die Fertigteile einzeln entfernen lassen. Auf Youtube kann man sehen, wie die Fundamentteile zusammengebaut werden https://www.youtube.com/watch?v=nUDXhqRhFKg&feature=youtu.be
Welche Erfahrung hat die Firma UFF bisher mit ihren Fundamentteilen?
In Paderborn wurde ein erstes Windrad auf dieser Basis errichtet. Anfragen für weitere liegen vor. Bisher lässt UFF die Betonteile in einem Fremdwerk produzieren.
Wie kommt die Firma auf Ernsthausen als Standort?
Das liegt an den Kontakten zu Tan Siekmann, der mit seiner Firma Burg Lichtenfels Energie seit 2014 Windkraft- und Solaranlagen plant und baut. Das Tortenfundament-Verfahren begeisterte ihn so, dass er zusammen mit Prass 2017 die Firma UFF gründete. Er stieg als Mitgesellschafter ein und ist auch Investor. Da Siekmann in Waldeck-Frankenberg lebt, wusste er von dem leerstehenden Betonwerk in Ernsthausen. Der Standort in der Mitte Deutschlands sei günstig. Später soll noch ein weiterer im Norden Deutschlands folgen, der insbesondere den skandinavischen Markt bedienen soll. Im Werk in Ernsthausen soll eine zweistellige Zahl von Arbeitsplätzen entstehen. Firmensitz soll Ernsthausen werden, die Gewerbesteuer also an die Gemeinde Burgwald fließen.
Und welchen Plan hat UFF bezüglich des Baus neuer Windkraftanlagen?
UFF möchte im Windpark Ernsthausen Windräder aufstellen, zunächst mindestens eines, um Kunden vor Ort ihre Anlage präsentieren zu können. Später sollen weitere Windräder folgen. Damit diese rentabel sind, sollen sie mindestens 200 Meter hoch werden. Siekmann und Prass können sich vorstellen, dass sie die drei im südlichen Bereich des Windparks stehenden, 150 Meter hohen Tacke-Anlagen ersetzen. Im kommenden Jahr laufe deren Förderung durch die EEG-Umlage aus, so dass sie kaum noch rentabel seien. Mit den Eigentümern haben sie aber noch keine Gespräche geführt. In Frage komme für sie auch der Bau eines neues Windrads weiter nördlich in Richtung Wiesenfeld
Was sagt UFF zur Belastung Ernsthausens durch neue, höhere Anlagen?
Sie sagen: Die Anlagen seien aufgrund neuer Technik wesentlich leiser als die bisherigen. Die Belastung durch Schattenwurf werde geringer sein als aktuell. Zudem könnten die Anlagen kurzfristig abgeschaltet und so der kurzzeitige Schattenwurf vermieden werden. Die geltenden Grenzwerte würden bei weitem nicht erreicht. Der Abstand zur Wohnbebauung betrage mindestens 1000 Meter.
Wie ist das weitere Vorgehen?
„Bevor wir in die weitere Planung, Antragstellung und Verhandlungen mit Grundstückseigentümern gehen, wollen wir erst das Einvernehmen mit den Menschen vor Ort und der Gemeinde Burgwald schaffen“, sagt Tan Siekmann. Die Genehmigung neuer Windkraftanlagen sei derzeit schwer zu erhalten und aufwendig – auch wegen des Artenschutzes. Optimistisch stimme ihn, dass der Windpark Ernsthausen vom Regierungspräsidium als Windvorrangfläche ausgewiesen ist.
So reagierte der Ortsbeirat Ernsthausen
Der Ortsbeirat Ernsthausen hat in seiner Sitzung am Montagabend noch keine Stellung zu den Plänen der Firma UFF genommen. Er will die Informationen erst einmal sacken lassen. „Wir werden sie in den Fraktionen beraten und uns dann wieder zusammenfinden und entscheiden.“ Mit diesem Vorschlag von Ortsvorsteher Patrick Schneider waren alle Mitglieder einverstanden.
Burgwalds Bürgermeister Lothar Koch hatte zu Beginn der Sitzung erläutert, dass der Ortsbeirat im Dezember 2013 beschlossen hatte, dass Windräder im südlichen, ortsnahen Bereich des Windparks Ernsthausen nicht höher sein sollen als die derzeit dort stehenden drei 150 Meter hohen Tacke-Anlagen. Nur im nördlichen Bereich, Richtung Wiesenfeld, dürfen Windräder höher sein. Dort stehen vier 200-Meter-Anlagen. Allenfalls könnte dort laut Firma UFF noch ein fünftes Windrad hinzukommen, ohne dass sich die Anlagen gegenseitig störten.
Mitglieder des Ortsbeirates und einige der etwa 15 Zuschauer im Dorfgemeinschaftshaus erinnerten an die Bedenken der Bewohner gegen Windräder in der Diskussion 2013. Und sie berichteten, dass immer wieder potenzielle Windrad-Bauer im Ort auftauchten. Manche lockten Flächeneigentümer mit hohen Pachtpreis-Versprechen. Bisher sei noch nichts daraus geworden.
Zur Person: Tan Siekmann
Tan Siekmann (53) sorgte mit seiner IT-Sicherheitsfirma Biodata für Furore. Als sie 2000 an die Börse ging, war sie der Star der New Economy. Ihr Börsenwert wuchs in kurzer Zeit auf zwei Milliarden Euro an. 2001 meldete das Unternehmen, das Verluste schrieb, Insolvenz an. Es folgten Ermittlungen gegen Siekmann, die aber gegen eine Geldbuße fallen gelassen wurden.
Siekmann gründete 2005 die Firma Safe-Com. Sie war in der Branche Kommunikationssicherheit tätig und entwickelte auch ein Blutzuckermessgerät. Wie Siekmann am Dienstag unserer Zeitung berichtete, hat er diese Firma verkauft und war dann in der Beratung tätig, vor allem von Firmengründern. 2014 startet er sein jetziges Unternehmen Burg Lichtenfels Energie, zu dem zahlreiche Tochterunternehmen (zum Beispiel Wind- und Solarpark-Projekte) und vier Mitarbeiter gehören. Den Gesamt-Jahres-Umsatz bezifferte Siekmann auf zirka 9 Millionen Euro.
Der Kasseler Dokumentarfilmer Klaus Stern drehte mit „Weltmarktführer“ (2005) einen preisgekrönten Film über Siekmann und die Biodata.